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Samstag, 28. Januar 2017

*** ausgeplaudert *** Die Bedrohung

 Den ganzen Abend ging es hektisch zu. Ich war ewig in der Ambulanz beschäftigt, und auch die stationären Patienten ließen mich nicht zur Ruhe kommen.
Endlich, kurz vor Mitternacht wurde es ruhiger. Ich hatte mal wieder Bereitschaftsdienst.

Zusammen mit zwei Nachtschwestern saß ich in der Stationsküche auf einer inneren Station im 1. Stock. Schräg vis-a-vis ging es über den Flur zur Intensivstation.
Der Kaffee war gerade am Durchlaufen, als wir es hörten:
»Hiiilfeee!«
»Was war das?«, fragte Schwester Jutta? Gespannt lauschten wir hinaus in den Flur. Es ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn ein vielleicht verwirrter Patient im Halbschlaf oder auch noch wach, um Hilfe schreit.

Da war es wieder: »Hiiiilfeee!«
Wir hörten kein mickriges Stimmchen, eher einen satten Bassbariton.
»Das kommt aus der Intensiv!«, meinte Jutta.
»Wir schauen mal nach, was da beim Konrad los ist!«
Konrad war der diensthabende Pfleger auf der Intensivstation.

Ich habe den Anblick heute noch so vor Augen, als sei es erst gestern gewesen.

Pfleger Konrad, ein Zweimetermann, breit wie ein Schrank, stand in der hintersten Ecke einer Intensivbox, beide Hände abwehrend von sich gestreckt.

Vor ihm schwankte ein mickriges Mandei, das sich am Fußende des Bettes festhielt, sonst wäre es umgefallen. Die Infusion war herausgerissen, die ganze Soße tropfte auf den Boden. Dort lag auch das EKG Kabel. Die Sauerstoffmaske baumelte um den Hals.
In der rechten Hand hielt das schwankende Etwas ein Besteckmesser und fuchtelte damit wie wild in der Luft herum.
Sein Flügelhemd war, wie alle Flügelhemden dieser Welt, hinten offen, sodass wir freie Sicht auf ein runzeliges und verschissenes Oascherl hatten.
»I bring Di um! Hosch mi!«, ließ sich ein verwaschenes und durchaus zartes Stimmchen vernehmen.
Dazwischen der gut intonierte Bassbariton von Pfleger Konrad: »Hiiilfeee!«

Es war ein Bild, wie man es nicht alle Tage sieht.

Schwester Jutta packte das verschissene Matschgerl hinten am Flügelhemd, hob es freihändig ins Bett und entriss ihm anschließend das brandgefährliche Besteckmesser.

»Wasch Konni, Du bisch a na segglbleedr Seggl!« ***,
 Sagte Schwester Jutta zu ihrem Kollegen, der immer noch bibbernd in der Ecke stand.


*** hochdeutsch: »Weißt Du Konrad, Du bist ein wirklich blöder Hund!«

Der Seggl bekam so langsam wieder Farbe ins Gesicht und meinte, so durchgedrehte Patienten könnten schon mal ungeahnte Kräfte freisetzen und mit einem Messer sei sowieso nicht zu spaßen.

Mittlerweile lag der potentielle Messermörder wieder friedlich im Heiabettchen und fliretete mit Schwester Jutta.
»Bisch a blitzsaubars Mädle, di dad i a no vernasche!«

Die Antwort kam prompt:
»Oh Mandei, so viel Sauerstoff hat die ganze Intensivstation nicht, die du danach brauchen tätest!«
Natürlich sagte Jutta das alles auf Schwäbisch. Sowas kann man leider nicht in einem niedergeschriebenen Text festhalten.

Nachtdienste in einem Krankenhaus haben ihre eigenen Gesetze. Das ist im Schwäbischen nicht anders als im Niederbayrischen. Wer das nie miterlebte, kann sich keine Vorstellung davon machen.

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