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Donnerstag, 2. Februar 2017

*** ausgeplaudert *** Zu fett!

»Also, Herr Chefarzt, eines muss ich ihnen jetzt schon mal sagen!«
Aha, denke ich für mich, klingt nach Beschwerde, nach Dampf ablassen!

Eine resolute Mittvierzigerin pflanzt sich vor meinem Schreibtisch auf, die Ambulanzkarte, besser, meine Patientenaufzeichnungen hält sie in der linken Hand, mit der rechten deutet sie auf ein Blatt, das offensichtlich der Grund für ihre Aufregung ist.

Ich bitte die Dame, Platz zu nehmen.
Schnurstracks gehe ich zum Waschbecken, wasche sehr gründlich meine Hände. Ein Arzt kommt immer gut an, wenn er sich vor dem Patienten seine Hände wäscht, eine uralte Medizinerweisheit. Und noch viel wichtiger, während dieser Zeit kann er seinen Patienten beobachten.

In diesem Falle ist es, wie gesagt, eine Patientin. Fast attraktiv, wenn da nicht die zu vielen Pfunde wären. Roter Rollkragenpulli, schwarzer Rock, der bis zu den Knöcheln reicht. Kurz geschnittene brünette Haare, volles hübsches Gesicht. Grünbraune Augen funkeln herüber zu mir an’s Waschbecken. Ihr Dialekt verrät sie als Österreicherin.

Sie kommt gerade von meinem Kollegen Dr. Werner Bauer, der ist für die Ultraschalluntersuchungen zuständig.
Offensichtlich ist Werner auch der Grund für ihre Aufregung.

»Herr Chefarzt, ich verlange, dass dieser Befund da drinnen wegkommt!« Mit »da drinnen« meinte sie die Ambulanzkarte mit den Aufzeichnungen über ihre Untersuchung.

Sie knallt mir die Unterlagen auf den Schreibtisch und bleibt vor mir stehen.

Oh je, da steht es. Deutlich sticht die Bemerkung aus den Aufzeichnungen heraus. »Zu fett!« Und das auch noch unterstrichen. Und dann hat der Dussel der Patientin auch noch die Unterlagen mitgegeben.

Ganz vorsichtig lote ich meine Versöhnungschancen aus.
»Ach, Frau Obermaier, der Dr. Bauer hat das mal so dahingeschrieben!«
Sie fällt mir sofort ins Wort.
»Dass ich ein paar Pfunde zu viel draufhabe, weiß ich selber. Aber gleich solch eine Beleidigung!«

Jetzt holt sie noch mal Luft, danach braust ein Lamento über mich.
»Ich esse eh kaum noch was, mache eine Diät nach der anderen, aber Herr Chefarzt, ich kann machen, was ich will, ich trau mich schon gar nicht mehr auf die Waage!«

Die Pause zum Luftholen nutze ich aus.
»Ich streiche das durch. Im endgültigen Bericht an ihren Hausarzt steht nichts mehr drin!«
Jetzt bringe ich mein schlagkräftigstes Argument an.
»Wir beide können unsere Pfunde ja nicht verstecken!«

Das wirkt! Auch bei mir helfen diverse Diäten nur ganz bescheiden.
Als Leidensgenosse werde ich von Frau Obermeier akzeptiert.
»Hat er außer den paar Pfunden zu viel auch noch was anderes gefunden«, will ich jetzt wissen. Unter den leichtsinnig hingeschriebenen Worten steht nämlich noch was von Gallensteinen.

»Niemand hat bisher bei mir Gallensteine gefunden!«
»Jetzt vergessen sie mal ihren Babyspeck!«
»Jetzt machen sie sich auch noch lustig über mich!«, flötete mir Frau Obermeier entgegen und schaut gekränkt.
»Ach was, Frau Obermaier, niemand will sich lustig machen! Sie haben doch schon länger diese Koliken?«

Die Tür geht auf, Dr. Bauer stürmt herein.
Ganz Dame würdigt meine Patientin den Übeltäter mit keinem Blick. Er legt mir die Ultraschallbilder vor und wendet sich mit einem unschuldigen Allerweltsgesicht an sie.
»Ne ganze Menge Steinchen haben sie in Ihrer Gallenblase! Am besten die operieren wir bald raus. Allerdings wäre es besser wenn sie ein paar...!«
Mein bohrender Blick hinauf an die Decke lässt ihn stutzig werden.
Mitten im Satz bricht er ab.
»... Pfunde abspecken«, verkneift er sich.
Statt dessen ergänze ich »ein paar zusätzliche Untersuchungen machen lassen, damit wir sie recht bald operieren können!«

»Wenn ich mich operieren lasse, dann nur vom Herrn Chefarzt, sie lasse ich sowieso nicht mehr an meinen Bauch!«
Peng, das sitzt! Werner schaut verwundert. Mit verschwörerischer Mine lächelt sie mich an und dreht ihm den Rücken zu. Mit einem Schulterzucken geht er hinaus.

»Ich weiß schon, was der sagen wollte!«
»Hat es aber nicht!«, falle ich ihr ins Wort.
»Ich komme dann zu Ihnen ins Krankenhaus, wenn der Schnösel in Urlaub ist!«
Gemeinsam schauen wir im Kalender nach, planen die Operation während Schnösels Urlaub.

Mit einem herzhaften Lachen verabschiedete sich Frau Obermaier von mir.
Elegant umkurvt sie meine Sekretärin, die gerade ins Zimmer kommt.
»Sie können froh sein, dass sie so einen dollen Chefarzt haben, der Dr. Bauer ist nämlich ein Depp!«

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