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Freitag, 27. Januar 2017

*** ausgeplaudert *** Das Duell

Es war eine tolle Zeit. Allesamt waren wir doch noch rechte Kindsköpfe im wahrsten Sinne des Wortes.

An einem frühen Abend auf Station war die Arbeit für mich getan. Ich ging eine letzte Runde, um nach den Frischoperierten zu sehen.
Alles war friedlich, sämtliche Briefe diktiert, die Unterschriftenmappe leer. Ich hatte Bereitschaftsdienst.

In der Stationsküche saßen Schwester Maria, eine schon ältere Krankenschwester und Ruth, Schwesternschülerin im dritten Kurs. Beide hatten Spätdienst. Auf dem Tisch war frisch gewaschene und vorher auf der Heizung getrocknete Mullgaze ausgebreitet. Damals legte das Personal auf Station noch selber die Kompressen und Tupfer für die Verbände.

Ich setzte mich zu ihnen und half mit. Das war eine Tätigkeit, bei der man über alles Mögliche ratschen konnte.
Ruth und ich neckten uns, so wie es junge Leute überall auf der Welt tun, wenn sie sich sympathisch finden. Die Worte flogen hin und her, wir lachten und kuderten.

Schwester Maria schaute ab und zu erstaunt auf, wenn wir uns gegenseitig aufzogen. Für sie war ein Doktor eine Respektsperson. Maria kam aus einer anderen Zeit, da musste eine Schwester Abstand halten. Ein vertrautes »Du« war unmöglich. Unser Rumalbern war in ihren Augen befremdlich, wenn nicht sogar verwerflich.

Ruth und mich störte das nicht. Wir duzten uns schon ewig.
Irgendwie kamen wir auf Perubalsam zu reden und ob man sich damit auch duellieren könne.
Perubalsam ist eine dickliche dunkelbraune Flüssigkeit, die seinerzeit als Wundheilmittel verwendet wurde.

Ich bemerkte es schon zu Anfang, wir waren noch rechte Kindsköpfe.

»Du traust Dich garantiert nicht damit rumzuspritzen!«, behauptete ich provozierend.
»Ich trau mich schon!«, bekam ich prompt zur Antwort.

Ich ging wortlos ins Verbandszimmer, füllte zwei Blasenspritzen mit Perubalsam und legte eine davon vor Ruth auf den Tisch.
»Feigling!«
Sie schnappte sich das Teil und gab mir eine Breitseite, dann flüchtete sie rüber ins Stationszimmer. Ich folgte ihr mit der zweiten Spritze und setzte auch eine Ladung ab.
Danach kauerte ich mich Deckung suchend hinter meinen Schreibtischstuhl im Arztzimmer, Ruth war mir dicht auf den Fersen.

Das Duell dauerte, bis beide Blasenspritzen leer waren.
Wir schauten uns gegenseitig an und lachten hell auf. Die Schwesterntracht von Ruth war über und über mit Perubalsam besudelt und mein Kittel ebenso.

Nun sahen wir die weiße Wand hinter meinem Schreibtisch. Da gab es ein paar gehörige Querschläger.

Die wenigen Spuren auf dem Fußboden waren schnell weggewischt, aber die Wand. Da ging nichts mit dem Putzlappen. Ein Versuch von mir scheiterte kläglich. Das dunkelbraune Zeugs verschmierte mehr, als dass es wegging.

Nun schauten wir uns recht bedröppelt an und Schwester Maria stand in der Tür und lachte.

Am nächsten Morgen zitierte ich sogleich den Haumeister auf Station. Es war der, dem ich aus Versehen Ohrentropfen wegen einer Bindehautentzündung ins Auge träufelte.

Ich hätte gestern Abend mit Perubalsam rumhantiert, da sei mir das Malheur passiert.
Er besah sich die Sache, sagte ein paar mal im breitesten Schwäbisch: »Hanoi, a so a Sauerei!«, schmunzelte und meinte furztrocken: »Hano, des hen mer glei!«
Dann drehte er sich um und sagte zu Ruth, die gerade im Moment durch die Türe schaute: »Du hoscht no ebbs Braunes an de Backe!«
Die wischte sogleich hektisch im Gesicht herum, dann ging sie mit hochrotem Kopf zum Spiegel.
Da waren natürlich keine verräterischen Spuren mehr von unserem Duell.
Unser Hausmeister meinte nur, er hätte sie gestern Abend mit ihrer versauten Schwesterntracht über den Hof ins Wohnheim flitzen sehen.

Zwei Stunden später war die Wand wie neu.
Schwester Maria hielt dicht und unser Hausmeister auch.

Tage später wurde frisch aufgebackener Leberkäse mitsamt Bier und Brezn in die Werkstatt geliefert.

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