© by Fabrizius

Liebe Freunde, wenn Sie Texte aus meinem Blog verwenden,
bitte geben Sie den Autor an, sonst ist es geistiger Diebstahl.

Samstag, 21. Januar 2017

*** ausgeplaudert ***


Die Rosskur

Im Schwäbischen hatten wir einen wahrlich schlitzohrigen Hausmeister. Der war zu jedem Schabernack bereit. Wir, das hieß die Assistenzärzte, verstanden uns prima mit ihm. Er tat uns so manche Gefälligkeit und wir ließen uns auch nicht lumpen. Ein paar neoliberale Klugscheißer würden das heutzutage als Win-win-Situation bezeichnen.

So kam er eines Morgens zu mir auf Station mit feuerroten Augen. Sakrisch brennen würden sie und andauernd tränen.

Das sah nicht gut aus. So eine Bindehautentzündung, um die es sich offensichtlich handelte, musste dringend behandelt werden.

»Hast Du ein paar Augentropfen für mich?«
Natürlich hatten wir welche auf Station.
Ich griff in den Medikamentenschrank und nahm das erstbeste Flascherl aus dem Tropfenregal.

»Setz Di na!«, befahl ich ihm auf schwäbisch.***
Kopf zurück!«
Ich nahm das Flascherl und tropfte ein paar Tropfen in jedes Auge.
Kaum war die Applikation beendet, stand er auf und mermelte rum.
»Oh boa, das Zeugs brennt wie d’Sau. Mit beiden Händen rieb er seine Augen, die mir noch feuerroter vorkamen.

Ich schaute nochmal auf das Fläschen. Ich hatte daneben gegriffen und die Ohrentropfen erwischt. Ich wunderte mich beim Einträufeln schon, warum die so ölig waren. Allerdings war auch da ein Antibiotikum drinnen.

Er solle sich jetzt mal in die Werkstatt setzen und mit einem kalten Waschlappen beide Augen kühlen.

Heimlich stellte ich das verkehrte Flascherl zurück in den Schrank und gab ihm nun die richtigen Augentropfen mit.
Die müsse er noch mindestens drei Tage lang, mehrmals am Tag, einträufeln.

»Tun die immer so weh?«, fragte er mich. Ich meinte daraufhin, dass das nur beim ersten Mal so sei.

Mit einem knappen »Aha« und einem noch knapperen »Danke« schlich er sich wieder.

Am späten Nachmittag saßen wir zusammen in der Stationsküche und machten Brotzeit. Seine Augen waren schon wesentlich besser, dank der Rosskur.

Er fragte noch, ob ich heute Morgen nicht ein anderes Flascherl hergenommen hätte. Die Tropfen, die er jetzt habe, würden überhaupt nicht brennen.
Ich schwieg eisern und meinte nur, er solle sich nicht so anstellen. Er sehe ja, dass das Zeugs wirke.

***) Egal, wo man ist, so ein paar Brocken des landestypischen Dialektes muss man sich aneignen. In diesem Fall was es im bayrischen Schwaben, südlich von Augsburg.
Da hatte ich meine Lehrstunde in Sachen Dialekt.
Eine Bäuerin aus den »westlichen Wäldern« kam in die Ambulanz, machte ein griesgrämiges Gesicht und klagte:
»I han Wedage auf de Bridde!«
Der Ortskundige weiß mit den Ortsnamen Langenneufnach und Mickhausen sicher was anzufangen. Dort wird ein ganz besonderer Dialekt gesprochen.
Nun, die »Wedage« sind nichts anderes als Schmerzen und »de Bridde« ist der Fußrücken.
Ich musste nur einmal nachfragen, bekam die gleiche Antwort: »I han Wedage auf de Bridde« und wusste Bescheid. Test bestanden. »Ich habe Schmerzen am Fußrücken!«

Seitdem liebe ich dieses kantige Schwäbisch aus den westlichen Wäldern. Mit »westlich« ist natürlich westlich von Augsburg gemeint, welches im Volksmund »Datschiburg« genannt wird.
Einen wunderschönen und lesenswerten Artikel finden sie in der Süddeutschen: http://www.sueddeutsche.de/bayern/ortsnamen-in-bayern-das-geheimnis-von-datschiburg-1.1793356

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen